Wachstumstransformation: Zurück zum langfristigen Denken – Die kurzfristigen Probleme dürfen langfristige Trends nicht überschatten

von Dr. Stefan Gros und Matthias Müller, September 2021

Ein umfassender Beratungsansatz inkl. systematischem Checklisten-Tool für Tragfähigkeit, Robustheit und Zukunftsfähigkeit Ihres Unternehmens im Kontext der Wachstumstransformation

Einleitung
Die Aussicht auf ein Ende der Pandemie kann die kürzlich stark gewachsene Unsicherheit vor immer weiter steigender Volatilität und Kurzfristigkeit der Märkte nicht lindern. Auch wenn der Mittelstand, und hier vor allem die vielen Familienunternehmen, durch Anpassungsfähigkeit und persönliche Kunden-/Lieferantennähe eine hohe Flexibilität bewiesen haben, wurden die Eigenkapital- und Liquiditätsreserven der meisten Unternehmen zum Teil deutlich beansprucht, wobei es jedoch einige Unternehmen gibt, die auch gestärkt aus der Krise hervorgehen. Die dennoch zunehmende Unsicherheit über den Einfluss exogener Faktoren liefert das Hauptargument für das Verhalten vieler Top-Manager: „Wir fahren auf Sicht!“. Dies ist aufgrund der aktuellen Situation zunächst die logischste Reaktion. Das Management sollte sich dennoch jederzeit bewusst sein, wohin es das Unternehmen lenkt und welche verschiedenen Aktionen auch langfristig Optionen darstellen, um das Ziel zu erreichen. Lediglich „Auf Sicht fahren“ ist trotz der aktuellen wirtschaftlichen Lage nicht ausreichend und kann schnell zu Orientierungslosigkeit, Angst vor dem Unbekannten, fehlenden Visionen und Zurückbleiben hinter dem Wettbewerb führen.

In unserer täglichen Arbeit haben wir zunehmend mit der Herausforderung volatiler Rahmenbedingungen, sowohl aus kurz- als auch langfristiger Sicht, zu tun. Die Kunst ist es, trotz der meist dringenden kurzfristigen Problemlösungen, die Transformation des Unternehmens auch auf langfristige Trends auszurichten und diese nicht außer Acht zu lassen. Die Arbeit mit Unternehmen aus den verschiedensten Branchen hilft uns dabei auch branchenübergreifend Entwicklungen zu antizipieren und die kurzfristig zu ergreifenden Maßnahmen möglichst zukunftsträchtig und flexibel im Rahmen der Möglichkeiten des Unternehmens auszurichten.

Kurzfristige Verwerfungen zeigen sich aktuell unter anderem durch schwankende Rohstoff-preise und Unwuchten in den internationalen Supply Chain Ketten. Langfristige Verwerfungen zeigen sich durch die Verschiebung genereller Markttrends wie beispielsweise Nachhaltigkeit und Digitalisierung in die Zukunft. Unternehmen, die durch die kurzfristigen Problemstellungen ihre Verbindlichkeiten gerade noch aus eigener Kraft bedienen können, oder dies nur durch Liquiditätshilfen (Überbrückungshilfen, KFW, usw.) können, sind in Ihrer Investiti-onskraft in die Zukunft gehemmt. Die Transformation des Unternehmens und der Blick in die Zukunft ist dennoch essenziell, um nicht nur kurzfristig, sondern auch langfristig zu überleben. Klar definierte strategische Stoßrichtungen und Prioritäten sichern den zielgerichteten und effektiven Einsatz der begrenzten personellen und finanziellen Ressourcen.

 

Das Zielbild: Kurz- und langfristige Übereinstimmung von Strategie, Operations und Finanzierung

Ein wesentlicher Erfolgsfaktor für eine erfolgreiche Zukunft ist die kurz- und langfristige Übereinstimmung von Strategie, Operations und Finanzierung, was im Wesentlichen auch das Vertrauen von Mitarbeitern, Gläubigern und Gesellschaftern bedeutend beeinflusst. Dies erlangt man letztlich durch eine szenarienbasierte, objektivierte und konsensfähige Strategie, die den iterativen Dreiklang aus den Sichtweisen Markt, Wertschöpfung und Finanzierung berücksichtigt. Ein besonderer Fokus sollte auf der zielgerichteten Nutzung von Ressourcen liegen: Sie sichern Innovation und Wachstum und somit letztlich Zukunftsfähigkeit.

Auf dieser Basis können Handlungsmöglichkeiten, Szenarien des Zukunftsbildes und finanzielle Rahmenbedingungen abgeleitet werden, die allen Beteiligten als Leitplanken dienen. Vor allem die Erstellung von verschiedenen Szenarien können einen Zielkorridor bilden, bei dem das Unternehmen vor allem die negativen Schwankungen der verschiedenen Szenarien kennt und potentielle Gegenmaßnahmen bereits durchdacht hat. Dies macht es möglich frühzeitig zu agieren und nicht bloß kurzfristig reagieren zu müssen. So kann eine Übernah-me von Marktbegleitern möglich werden oder z.B. eine bevorstehende Finanzierung bzw. eine Veränderung des Geschäftsmodells proaktiv ohne Zeitdruck angegangen werden.

1.) Checklisten-Tool: Das konkrete Vorgehen (Business Re-view)

Im Folgenden werden potenzielle Schritte eines Business Reviews dargestellt, die ein neuer CFO plus (ggf. als Interimsmanager) mit Hilfe geeigneter Beraterteams durchführen kann. Der erfahrene CFOplus wird in vielerlei Themengebieten beansprucht und stellt eher einen Transformation Officer als Sparring-Partner des CEO sowie einen Business Partner der Ope-rations dar.

a. Schritt 1: Potentialanalyse aus drei Sichten:
Ein tragfähiger Aufsatzpunkt hinsichtlich Wertschöpfung und Markt sowie Zahlentransparenz hinsichtlich Potentiale und Risiken

Detaillierte Analysen der Vergangenheit machen nicht deutlich, wie ein Zukunftsbild aussehen kann und wie mit den Fähigkeiten des Unternehmens die Anforderungen von Markt und Kunden bestmöglich abgedeckt werden können. Deshalb verfolgen die Autoren einen nach vorne gerichtetem Ansatz, in dem folgende zentrale Fragen hinsichtlich Ertragsquellen, Wertschöpfung und Wachstum beantwortet werden:

  • Was kann die Fabrik (Technik, Losgrößen, Prozesse)?
  • Was wollen Markt und Kunde (künftig)?
  • Wie sehen Datenstrukturen und Prozesse aus (end-to-end, unikat)?
  • Womit wird tatsächlich Geld verdient – und welche Prozesse „fressen“ zu viele Ressourcen?

Zur Beantwortung der oben genannten Fragestellungen werden folgende Tools eingesetzt:

  • Markt- und Wettbewerbsanalyse unter Einbezug der branchenübergreifenden Erfahrungen, SWOT-Analysen
  • Aufnahme der Prozess- und Datenlandschaft sowie Process Mining im kaufmännischen als auch operativen Bereich unter Einbezug der IT und Operations Spezialisten
  • Ertrags- und Verlustquellenanalyse (Produkterfolgsrechnung) mit dem Ziel der klaren Fokussierung auf das wirtschaftlich erfolgreiche Kerngeschäft des jeweiligen Unternehmens und der Differenzierung zwischen gutem und schlechtem Umsatz (aus der Ergebnissicht) sowie der Kostenflexibilität des jeweiligen Produktes/der Produktgruppe
  • Integrierte Unternehmensplanung inkl. Szenarienrechnung zur Herleitung von Finanzbedarfen und Abschätzung der Rendite- und Wettbewerbsfähigkeit
  • Kurz- und langfristig rollierende Liquiditätsplanungen, um proaktiv reagieren zu können sowie den neuen Anforderungen des StaRUG zu genügen

Transformation wird hier im Sinne einer Bestandsaufnahme durch die genannten Analysemethoden post covid und anschließender Entwicklung einer CEO/CFO Agenda gesehen.

 

b. Schritt 2: Zukunftskonzept:
Ein tragfähiges, robustes und realistisches Zielbild schaffen

Meist geht es weniger um die „Beseitigung von Fehlern“, sondern um die Redimensionierung, das bestmögliche Skalierungsniveau als Basis für Wettbewerbsvorteile, um kurze Durchlaufzeiten, eine hohe Reagibilität, den Cash Conversion Cycle und um eine klare Segmentierung der Geschäfte nach Geschäftsmodellen und deren spezifischen Finanzierungsanforderungen.

Um ein belastbares und realistisches Zukunftskonzept (CFO/CEO Agenda) zu generieren, helfen die Analysen und Ergebnisse des ersten Schrittes, um bspw. Verlustquellen zu eliminieren, den Ressourcenbedarf der Prozesse zu optimieren und Transparenz zu schaffen – und zwar „end-to-end“ vom Lieferanten bis zum Kunden, unabhängig der Legal Entity Strukturen. Die Bewertung verschiedener Optionen und Szenarien in einer integrierten Planung bildet eine fundierte Entscheidungsgrundlage für das Management und alle Stakeholder.

Die Erreichung des Zielbildes erfolgt meist zweistufig – zunächst eine saubere Redimensionierung bzw. Refinanzierung und die folgende Transformation: Wachstum und strategische Offensiven auf Basis eines klar definierten Geschäftsmodells.

c. Schritt 3: Maßnahmenumsetzung/-tracking
Die Umsetzung sollte von Anfang an im Blick sein – keine „Luftschlösser“ bauen, sondern relevante und umsetzbare Lösungen für die Zukunft definieren. Hierzu ist es essenziell, die Maßnahmen genau zu definieren und vor allem zu quantifizieren. Dies ermöglicht das Aufsetzen eines geeigneten PMO und Change-Managements zur Sicherstellung der erfolgreichen Maßnahmenumsetzung. Das genaue Tracking der quantifizierten Maßnahmen schafft zusätzliche Transparenz gegenüber allen Stakeholdern und lässt die Auswirkungen in den Zahlen des Unternehmens sichtbar werden.

Die im Rahmen des Business Review erarbeiteten Umsetzungsprojekte und -maßnahmen sind der Transmissionsriemen für die erfolgreiche Veränderung und Gestaltung eines Unternehmens – sei es auf strategischer und organisatorischer Ebene oder bei der Ver-änderung von funktionalen Aufgaben und Prozessen auf der operativen Ebene. Nach Er-fahrung der Autoren bietet er eine sehr gute Basis für Verhandlungen mit neuen Finanzie-rern, die sich ebenfalls laufend ein Bild machen wollen.

  • Die Agenda wird auch Themen beinhalten, die 2-3 Jahre dauern
  • Es kommt zu einer Prioritätensetzung

2.) Das Erfolgsrezept

Entscheidend bei einem Business Review und einer folgend erfolgreichen Unternehmenstransformation ist, dass die definierten Maßnahmen auf C-Level umgesetzt werden. Es muss ein „Wind of Change“ durch das Unternehmen gehen. Dies kann beispielsweise ein Chief Transformation Officer leisten, der die Geschäftsführung bei der Umsetzung der Maßnahmen ergänzt. Wichtig ist, dass diese Themen nicht dem bestehenden Management „on Top“ aufgebürdet werden. Ein Maßnahmenoffice soll die Wirkung auf die Ertrags- und Finanzlage des Unternehmens nachhalten.

In unserer langjährigen Arbeit in C-Level Verantwortung und im Projektgeschäft bestätigt sich die folgende Kombination des Zusammenspiels aus Berater und CTO/CFO als be-sonders erfolgsversprechend:

Eine aus den Analysen sauber hergeleitete Konzeption in Zusammenarbeit von Berater und CFOplus

+

Die Umsetzung durch einen erfahrenen CTO / CFOplus, der auch in der Konzeptionsphase bereits eingebunden wird, wobei die Berater das Maßnahmenoffice (PMO) begleiten.

Den CTO bereits in der Konzeptionsphase der Berater einzubinden und gemeinsam ein, wie zuvor dargestelltes realistisches Zielbild zu entwerfen, steigert die Umsetzungsge-schwindigkeit und die Erfolgsquote der Unternehmenstransformation enorm.

3.) Fazit

Was kennzeichnet nun eine erfolgreiche Transformation eines Unternehmens im Span-nungsfeld Rückbau und Wachstum? Wie ist es möglich, dass die kurzfristige Not nicht die langfristigen Trends überschattet?

Zusammenfassend ist es zunächst wichtig, nicht zu sehr auf die Vergangenheit zu schauen. Eine faktenbasierte Diskussion der Ausgangslage, ohne Tabus und unter Einbezug verschiedener Ebenen des Unternehmens, bildet die Grundlage für eine erfolgsversprechende und auf die Zukunft gerichtete Analyse unter Einbezug der verschiedenen Tools. Im nächsten Schritt ist es wichtig, auf Grundlage der Ergebnisse ein belastbares und vor allem realistisches Zielbild zu schaffen. Ein konsequenter Umgang mit Verlustsegmenten und ineffizienten Prozessen schafft Vertrauen in die Umsetzung und zeigt Willen zur Veränderung. Dies trägt positiv zur weiteren Motivation und Bereitschaft zur Umsetzung bei Mitarbeitern, Gläubigern und Gesellschaftern bei. Unabdingbar sind die genaue Definition und die Quantifizierung der Maßnahmen. Dies ermöglicht ein genaues Tracking und macht die Ergebnisse der Umsetzung sichtbar. Das Zusammenspiel aus Konzeption durch den Berater und Umsetzung durch den CTO/CFOplus, der auch bereits in die Konzeption eingebunden ist, erweist sich als äußerst erfolgsversprechend.

Auch wenn die kurzfristigen Problemstellungen und die eventuell nicht vorhandene Liquidität für Zukunftsinvestitionen zunächst die langfristigen Trends überschatten zu scheinen, gibt es mit Hilfe der verschiedenen Tools die Möglichkeit sich auf die kommenden Herausforderungen richtig vorzubereiten. Der heute getätigte Aufwand bietet Handlungsflexibilität in einer unsicheren Zukunft. 

Autoren

Dr. Stefan Gros ist Chief Financial Officer. Besondere Expertise weist er in den Bereichen Corporate Finance, Performance- und Wertsteigerungskonzepte, Digitale Transformation und Geschäftsmodell-Anpassung sowie Business Transformation auf. Wachstumstransformation in Kombination mit M&A ist ein weiterer Schwerpunkt.

Mit seiner mehr als 25-jährigen Berufs- und Führungserfahrung zählt Dr. Stefan Gros zu den erfahrensten Executives in Deutschland für Unternehmen mit spezifischen Herausforderungen. Zu seinen Auftraggebern zählen erfolgreiche und namhafte Unternehmen. Er übernimmt Aufgaben als Interim Executive sowie langfristige Vorstands- und Geschäftsführungsmandate.

2009-2016 war Dr. Gros Mitglied im Beirat der Deutsche Bank AG, Region Mitte, seit 2010 ist er u.a. Dozent für Business Valuation an der Kath. Universität Eichstätt / Ingolstadt und Gründungsmitglied des Digital Finance- und M&A-Arbeitskreis der Deutschen Schmalenbachgesellschaft für Betriebswirtschaft. 

Kontakt: sg@stefan-gros.de

Matthias Müller ist Mitglied der Geschäftsleitung eine mittelständischen Unternehmensberaung. Seit seinem Studium der Volkswirtschaftslehre (Universität Konstanz) und des Finanz- und Informationsmanagemts (TU München) begleitet er Projekte rund um Sanierung, Restrukturierung, Finanzierung und Insolvenz.

Sein fachlicher Schwerpunkt liegt dabei einerseits auf der Lösung von komplexen Fragestellungen an der juristisch-betriebswirtschaftlichen Schnittstelle und andererseits auf der pragmatischen Modellierung von komplexen Sachverhalten. Sein branchenseitiger Fokus liegt dabei auf dem Handel, der Automobilindustrie sowie dem Maschinen- und Anlagenbau.

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